Jean-Phillipe Hemery: Sozusagen ein Muss

Vom 15. bis 22. Juni feiert das Puppentheater Halle sein 70. Jubiläum mit einem großen Festival, das die Stadt in eine Bühne verwandelt. Am 15. und 16. Juni startet die Festwoche mit einem großen Eröffnungsspektakel des französischen Ensembles „Plasticiens Volants“, das mit seinen riesigen Puppen weltweit für Aufsehen sorgt. Zwei Tage wird eine knapp 20 Meter große Gulliver-Puppe das Zentrum Halles in eine Bühne für Groß und Klein verwandeln.  Wir sprachen Jean-Philippe Hemery, dem Regisseur des Eröffnungsspektakels.

Kulturfalter: Was wussten Sie vor Ihrem Engagement über das Puppentheater von Halle und über Halle?
Jean-Philippe Hemery: Wir wussten tatsächlich nichts. Wir kannten die Stadt Halle und auch das Puppentheater nicht. Es war eine komplett neue Begegnung mit Stadt und Menschen für uns. Und wir waren sehr beeindruckt von der kulturellen Vielfalt der Stadt.

Kennen Sie die Geschichte von Gulliver?
Ja natürlich kennen wir die Geschichte, denn sie ist sehr interessant für „Plasticient Volants“. Wir sind eine Theatergruppe, die mit riesigen Figuren arbeitet, da ist Gulliver sozusagen ein Muss. Außerdem ist die Geschichte bekannt in Frankreich. Das Engagement ist für uns eine schöne Möglichkeit diese umzusetzen.

Hätten Sie die Geschichte aus so umgesetzt?
Vielleicht hätten wir das gemacht, aber wahrscheinlich nicht so. Das Engagement erlaubt es uns die Geschichte in dieser Größe zu machen. Wir machen als Kompagnie gerade eine wichtige Entwicklung durch. Wir wollen unsere Puppen menschlicher mit mehr Feingefühl und Motorik bauen. Die Puppen sollen detailreicher werden. Da kam Gulliver zur richtigen Zeit.



Wird bei ihren Aufführungen gesprochen? Wie setzen Sie die Geschichte um, wenn es so eine umfangreiche Textvorlage gibt?
Es wird nicht stumm sein. Es gibt viele Dialoge, denn Gulliver spricht. Auch andere Figuren sprechen während der Aufführung. Aber der Text ist frei interpretiert.

Wie lange dauert es bis eine Figur fertig ist?
Umso eine Figur herzustellen bedarf es vieler Schritte: die Entwürfe, die Arbeit am Computer, das Schablonieren der Stoffe, das Zusammensetzen, der technische Teil für das Aufblasen ... Das dauert schon ein bis drei Monate und es arbeiten viele Menschen daran. Sie müssen sich vorstellen, wir arbeiten an Tischen, die sind genauso groß wie die Figuren. Bei Gulliver sind das knapp 20 Meter und bei den kleinen Figuren sind es zwei Meter.

Was passiert wenn sich eine Figur losreißt, schwebt sie davon? Ist das schon einmal passiert?
Um Gulliver zu bedienen, braucht man zehn Personen. Da sollte sie eigentlich nicht wegfliegen. Wir passen da wirklich sehr auf. Aber ja es ist schon passiert. Das kann durch Vandalismus oder einen Unfall passieren. Die Figur fliegt dann weg. Sie fliegt dann so hoch bis wegen des fallenden Luftdruckes in großer Höhe die Luftballons im Inneren explodieren. Und dann fällt sie wieder herunter. Das ist eine Katastrophe, aber wir passen wirklich gut auf, dass das nicht passiert.

Wie viele Figuren bringen sie mit nach Halle?
Nach Halle kommen wir mit 23 Personen und drei Figuren. Das ist Gulliver und eine wirklich große Fliege, die der ungewollte Freund der Königs ist. Und es gibt noch eine Figur, aber mehr wird nicht verraten, außer dass die dritte Figur aus mehreren Teilen besteht



Gulliver ist knapp 20 Meter hoch. Wie groß sind die Liliputaner und die anderen Figuren?
Naja, der König und der Minister sind Schauspieler, es gibt 300 Chorsänger/ -innen und es gibt Boten die Nachrichten überbringen. Es gibt Tänzer/-innen, die den König auf seinen Wegen begleiten. Und mittendrin ist das Publikum. Das sind die Liliputaner, ob sie wollen oder nicht.

Wie muss man sich eine Probe vorstellen?
Wir proben erst mit allem was nicht fliegt. Das sind Proben wie bei jedem anderen Theater. Wir versuchen es dabei es so es zu machen, wie es dann aussehen soll. Mit den Figuren ist es schwieriger, denn für die braucht man Helium und das ist teuer. Manchmal proben wir das einen Tag vorher, aber so, dass es die Leute es nicht sehen können. Für Gulliver haben wir vier Tage auf einem Feld neben unseren Werkstätten in Frankreich geprobt. Wir haben alles geprobt, was Gulliver machen soll, wenn er in Halle ist. Er liegt, er hebt den Kopf oder die Hand, er setzt sich, er steht auf, er geht, lässt die Leute unter seinen Beinen laufen wie in der Geschichte. Und wir haben alles geprobt, was man mit einer Figur machen kann, was nicht vorgesehen ist, denn eine Puppe muss mehr machen als ein Schauspieler, denn sonst hätte man gleich einen Schauspieler nehmen können. Der Zauber eine Puppenfigur, ist, dass sie mehr kann. Wir können sie zum Beispiel fliegen lassen. Wir haben alles getestet, was mit Gulliver möglich ist, damit wir es nicht in Halle proben müssen, damit alles erst zur Premiere zu sehen ist.

Sind ihre Schauspieler mehr Schauspieler oder Sportler?
Sind mehr natürlich mehr Schauspieler als Sportler. Ein Sportler ist auf seine Aktion fokussiert und interagiert nicht mit dem Publikum. Für einen Schauspieler ist die Interaktion mit dem Publikum die Essenz des Berufes. Aber vielleicht könnte das mal eine Sportart werden (lacht), denn man muss schon sehr sportlich sein um die Figuren zu bedienen.

Worauf freuen Sie sich in Halle am meisten?
Zu wissen das die ganze Stadt da ist.  Es ist der 70. Geburtstag. Ein Termin wo viel und sehr treues Publikum kommt. Man freut sich auf den Termin und wir freuen uns diese Arbeit zu präsentieren. Und die Zusammenarbeit mit Chor, den Tänzern und Tänzerinnen sowie den Darstellenden, das ist schon etwas Außergewöhnliches.

Arbeiten Sie schon an einem neuen Stück oder gehen Sie mit Gulliver auf Reisen?
Natürlich werden wir Gullivers Karriere weiter verfolgen. Aber die Geschichte muss dann anders bearbeitet werden, weil er so groß ist. Es braucht einen passenden Rahmen für diese Größe. Aber Halle wird nicht das einzige Abenteuer für Gulliver.

Jean Philippe, vielen Dank für das Interview.