Einem Künstler fällt der Pinsel nie aus der Hand!

In diesem Jahr feiert der hallesche Künstler Hans-Christoph Rackwitz seinen 60. Geburtstag. Anlässlich dazu zeigt das Kunstforum Halle bis zum 5. Juni eine große Retrospektive. Die mehr als 120 ausgestellten Arbeiten heben nicht nur die Kunstfertigkeit des Künstlers in den Mittelpunkt, sie geben auch erstmals einen Gesamtüberblick über das bisherige Schaffen. Mit Hans-Christoph Rackwitz sprach unser Redakteur Sebastian Krziwanie anlässlich der Ausstellung „Hans-Christoph Rackwitz – Eine Retrospektive“ im Kunstforum Halle.

Herr Rackwitz, mit der Ausstellung im Kunstforum Halle begehen Sie ein rundes Jubiläum. Was bedeutet es Ihnen, 60 Jahre alt zu werden? Ist es ein Geburtstag wie jeder andere auch?

Ich denke ja. Einem Künstler fällt ja der Pinsel nie aus der Hand. Aber im Zuge der Ausstellungsvorbereitung habe ich schon gestaunt, wie viele Werke ich bisher angefertigt habe. Allein in der Grafik sind dies mehr als 200 Arbeiten. Und wenn ich überlege, dass ich jede davon mehr als 50 Mal gedruckt habe, sind wir schnell bei der Zahl 10.000 angelangt. Das merkt man gar nicht so. Zwar arbeitet man kontinuierlich, aber dass so viele, auch thematisch unterschiedliche Arbeiten zusammenkommen, erstaunt und freut mich auch.

Der 60. Geburtstag ist ja auch ein Anlass, um sein bisheriges Schaffen rückblickend zu betrachten. Auf welche Entwicklungslinien würden Sie insbesondere verweisen wollen?

Neben thematischen Arbeiten, in denen ich mich etwa mit bestimmten historischen Begebenheiten auseinandergesetzt habe, ist es, denke ich, die Faszination für Architektur, Natur, Landschaft, die sich, natürlich in Phasen unterschiedlich stark ausgeprägt, wiederfinden lässt.

Was fasziniert Sie denn gerade an der Architektur- und Landschaftsdarstellung?

Architektur hat mich schon immer interessiert. Und auch im Studium habe ich das ganz gern gemacht. Ich habe mich damals viel mit historischen und zeitgeschichtlichen Themen auseinandergesetzt. Ansonsten suche ich immer die Verbindung von Architektur und Natur. So ist es für mich fantastisch gewesen, in der Toskana zu arbeiten. Auch von der rauen Landschaft in Norwegen bin ich sehr begeistert gewesen. Und natürlich Irland: die Küstenlandschaften, alten Herrenhäuser und verfallenen Klöster – herrlich.

Was bedeutet die Natur für Sie?

Das Leben in der Natur hat mich seit meiner Kindheit geprägt. Da ist die Schönheit der Landschaft mit der Saale, die Erlebnisse in der Natur mit Tieren und Pflanzen. Das bedeutet mir schon viel.


Wie wichtig dies ist, kann man auch in Ihren Arbeiten zum Wörlitzer Gartenreich sehen.

Das Wörlitzer Gartenreich übt seit langer Zeit eine besondere Anziehung auf mich aus. Schönheit mit Nutzen zu verbinden, diesen Ansatz fand ich schon immer sehr spannend, deshalb habe ich alle paar Jahre immer wieder etwas in Wörlitz gemacht.

Aber Ihr Werk weist auch Arbeiten auf, die weniger von der Schönheit der Natur zeugen.

Richtig, ich habe auch Industrie gezeichnet. Die Strukturen in den Anlagen, das ist ja ganz ähnlich der Architektur. Ich denke, man kann sagen, das Grafische ist für mich an diesen Industrieanlagen das Interessante. Kurz vor der Wende 1989 war ich mit Künstlerkollegen in Bitterfeld. Der Gestank, der Dreck, die verfallenen Industrieanlagen, alles fürchterlich. Aber das Zeichnen hier war faszinierend.

Wie gehen Sie normalerweise bei Ihrer Arbeit vor?

Ich arbeite mich immer ausführlich in ein Thema ein. Ich brauche einfach das Gegenüber. Nur von einem Foto etwas abzeichnen, das mache ich nur im Ausnahmefall. Bleiben wir beim Beispiel Wörlitzer Park. Da sollte ich eine Granatapfelhecke gestalten. Im Vorfeld musste ich dazu erst einmal nach Leipzig in den Botanischen Garten, um einen Granatapfelbaum zu studieren. Aber wo Granatäpfel vorkommen, gibt es wahrscheinlich auch schöne Vögel, also nahm ich Vogelstudien in der Zoologischen Sammlung in Halle vor. Dieses genaue Studium ist für mich sehr wichtig.

Gibt es so etwas wie Vorbilder, die Sie prägten?

Ein konkretes Vorbild gibt es nicht. Aber natürlich sind mir alle, die selbst gezeichnet haben, nahe. Angefangen von Dürer, Cranach, Goya bis hin zu Horst Janssen. In der damaligen Galerie Marktschlösschen habe ich den österreichischen Zeichner Klemens Brosch für mich entdeckt. Ein toller Zeichner, der relativ jung in den 1920er Jahren verstorben ist. Seine räumlichen Arbeiten finde ich heute noch nachhaltig beeindruckend.

Wenn Sie zurückblicken, wann entdeckten Sie die Leidenschaft zur Kunst?

Bereits während meiner Schulzeit. Da habe ich aber noch geschwankt, ob ich Architektur oder Kunst studieren soll.

Sie würden also sagen, Sie haben das Ziel, Künstler zu werden, damals schon intensiv betrieben?

Ja, aber die Richtung ist eben noch nicht klar gewesen. Mein Onkel war dann maßgeblich entscheidend, empfahl er mir doch, Malerei/ Grafik zu studieren. Also machte ich in der 11. Klasse die Aufnahmeprüfung an der Burg.



Wie verlief diese?

Ich kann mich erinnern, dass wir einen riesigen Berg Stühle zeichnen mussten. Das war gar nicht so einfach, aber da mir das Konstruktive eh immer schon lag, habe ich es letztendlich geschafft. Auch brauchte ich kein Vorpraktikum zu absolvieren, sondern konnte gleich mit den Kursen beginnen.

Und an Ihre Studienzeit an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein haben Sie positive in Erinnerungen?

Hauptsächlich ja. Gerade ab dem dritten Studienjahr war es eine sehr intensive Zeit. Denn da ich mehr zeichnen wollte, konzentrierte ich mich auf die Grafik-Ausbildung bei Professor Ruddigkeit. Er war ein genialer Lehrer. Der hat dich machen lassen, aber unheimlich viel erzählt und erklärt. Der hat eben nicht lauter kleine „Ruddigkeits“ züchten wollen, sondern half jedem, seine eigene Richtung zu finden. Selbst die größten Chaoten hat er zum Diplom geführt.

Waren Sie ein solcher Chaot?

(lacht) Nein, eigentlich nicht. Klar. Es gab immer mal einige Disziplinschwierigkeiten, aber ein Chaot bin ich nicht gewesen.

Wie ging es nach dem Studium dann für Sie weiter?

Es ist ja nicht wie heute, wo man sich nach dem Studium um Stipendien bemühen muss und viele Absolventen von Hartz 4 leben. Damals gab es eine Absolventenvermittlung. Auch gab es Betriebe, die einen gefördert haben. Bei mir war dies die LPG Beesenstedt. Meine Eltern stammten aus Beesenstedt, und so ergab es sich eben, dass ich für die LPG fürs Kartoffellagerhaus fünf Landschaften gemalt habe und mein erstes Geld damit verdiente.

Was hat sich mit dem Umbruch der Wende für Sie geändert?

Die thematischen Aufträge von Betrieben etc. gab es dann natürlich nicht mehr. Aber dadurch, dass ich immer schon im Bereich der Grafik gearbeitet habe, ging der Übergang, muss ich sagen, einigermaßen. Was ich aber noch ganz genau weiß, für meinen ersten Auftrag nach der Wende habe ich eine Serie zu Krosigk im Saalekreis gezeichnet. Dann habe ich Reisen gemacht, durch die Wende öffnete sich für mich die Welt. Ich habe Ausstellungen durchgeführt, und dann kamen nach und nach immer mehr Aufträge.

Und was erhoffen Sie sich von der Ausstellung im Kunstforum Halle? Welche Arbeiten wollen Sie in der Ausstellung zeigen?

Die Sachen, die ich zeige, sind ja einigen vielleicht schon bekannt. Was spannend sein wird, ist, die gesamte Bandbreite nebeneinander zu sehen. Eine Retrospektive habe ich bisher ja noch nicht gemacht. Es ist wie ein Resümee, welches ich ziehe. Genaugenommen wird es eine Zweiteilung von Originalen und Malerei sowie farbigen Zeichnungen und Grafik geben. Worauf ich mich persönlich freue, ist, dass ich einige Werke, die für die Ausstellung geliehen worden, einmal selber wiedersehe.