Power von der Eastside! DT64 - Das Jugendradio und seine Bewegung

„Power von der Eastside!“ war der selbstbewusste Slogan-Jingle des Jugendradios DT64, des schon vor, aber besonders nach dem revolutionären Herbst 1989 coolsten Mediums im Osten. Für das aber kein Platz mehr war im zu schaffenden föderalen System nach der Wiedervereinigung. Dagegen formierte sich kreativer Widerstand, der zu einer der größten Mobilisierungen der frühen Transformationszeit wurde, einer Massenbewegung zur Rettung von DT64, die besonders in den Jahren 1991/92 aktiv war.

Das bereits durch mehrere Städte gegangene Ausstellungs-Projekt „Power von der Eastside!“ schaut mit drei Jahrzehnten Abstand darauf zurück, wie diese mit Demonstrationen, Straßenfesten, Konzerten, Soli-Raves, winterlichem Protest-Campen, Unterschriften, Besetzungen, Mahnwachen und vielen anderen Aktionsformen zumindest erreichte, dass DT64 entgegen aller Wahrscheinlichkeit den Abschaltungstag überlebte, übernommen vom MDR. Der es allerdings Mitte 1993 in MDR Sputnik umbenannte und ab November 1993 von Halle ausstrahlte, zudem bis 1997 nur über Satelliten. Medial kaum noch als Radio erfahrbar, wurde zudem schrittweise das Programm bis zur Unkenntlichkeit verändert, bis zur heutigen Gestalt. Kulturfalterredaktuer Martin Große sprach mit dem Kurator der Ausstellung Alex Pehlemann. Der Projektmanager, Radiomacher und Autor hat sich der DDR-Subkultur verschrieben.

Welche Verbindungen haben Sie zum Radio DT64?
Ich war ein engagierter Hörer. Ich war Fan von der Sendung Parocktikum und für diese habe ich auch meinen ersten Text – einen langen Hörerbrief geschrieben.

Wie entstand die Idee eine Ausstellung über ein Jugendradio zu machen?
Der Ansatz war die Prägung, die eine ganze Generation junger Menschen erfahren hat, zu würdigen. Aus dieser Prägung heraus ist eine Rettungsbewegung für ein Medium entstanden, die in ihrer Massivität einzigartig war.

Warum kann man die Ausstellung jetzt in Halle sehen?
Wir haben 2021 mit dem Projekt angefangen. Der Anlass war, dass die Bewegung zur Rettung von DT64 30 Jahre her war. Am Anfang waren es nur drei Städte - Dresden, Chemnitz und Leipzig und dann sind wir immer weiter gezogen. Berlin, Greifswald und Rostock kamen als weitere Ausstellungsstandorte dazu. Halle war vom Anfang an im Gespräch denn, die Storie endet dort. Es war sinnvoll als Finalpunkt die Ausstellungsreise dort enden zu lassen.



Was kann man in der Ausstellung sehen oder hören?
Es wird die Geschichte von Radio DT64 erzählt. Ein Radio um das wir gekämpft haben. Es ist keine Nostalgiebewegung. Das Radio das 1964 als Jugendradio der DDR gegründet wurde, hatte schon immer viele Freiheiten und in den Transformationsjahren 1989 bis 1993 prägte es vielen Menschen. Es sollte abgeschaltet werden und es entstand ein Moment des Widerstandes. Anhand eines Zeitstrahles kann man in der Ausstellung Aktionen mit Fotos, Videos, Transparenten erleben, wie eine Masse an Menschen aufsteht und ein Medium zu retten.

Gab es eine DT64-Initiative in Halle?
Ja auch in Halle waren viele Leute aktiv. Wir sind immer auf der Suche nach Material. Wer etwas hat, kann sich gern bei uns melden.

Was war das Besondere an DT64?
Radio hatte in der DDR eine Funktion. Doch DT 64 konnte sich von der Propaganda teilweise frei machen. Und 1990 gelang es auf „Ohrenhöhe“ mit der Hörerschaft zu agieren. DT 64 hat die Veränderung der Gesellschaft  kritisch hinterfragt und es gelang das gemeinsame Empfinden der Jugend darzustellen. Dazu gehörte die Klangfarbe, die war frisch und relevant. Außerdem förderte der Sender die elektronische Musik. Der Mayday war ein Solirave für DT64. Der Sender war der Sender der Loveparade-Generation. Es gab viel Musik, viel Subbkultur, es wurden viele Schienen bedient. Techno, Metal, Punk – alles.


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Aus DT64 wurde MDR Sputnik – wie war dieser Übergang?
1991 wurden viele Journalisten entlassen. Rockradio B – das RBB-Jugendprogramm wurde gegründet und da gingen viele hin. Dann kam der Umzug nach Halle. Viele der Berliner Redakteur pendelten immer und blieben in Berlin. Nach und nach entwickelte sich der Sender weg. Er wurde nur noch auf Mittelwelle gesendet, dann nur über Satellit und kam erst 1997 wieder auf UKW.

Können aktuelle Radiosender von DT64 lernen und wenn ja, was?
Diese Konstellation ist nicht reanimierbar. Aber viele bei DT 64 war Interaktion. Da könnten viele Radiosender schauen und sich fragen: Was haben die damals gemacht? DT 64 war vielleicht das erste „Social Radio“ bevor es die sozialen Netzwerke gab. Am nächsten dran an DT 64 ist meines Erachtens Radio 1 aus Berlin. Dort erlebt man viel Alltagskultur und einige Stimmen von DT 64 findet man dort wieder. Aber ein Platz für erwachsen gewordene Popkultur fehlt hier im Sendegebiet und anderswo auch.

Herr Pehlemann, vielen Dank für das Interview.

Mehr Informationen rund um das Projekt gibt es auf power-von-der-eastside.de