Berühmter Arzt und Universalgelehrter – Urahn der Fotografie: der Hallenser Professor Johann Heinrich Schulze (1687–1744)

An der 1694 gegründeten Hallenser Friedrichs-Universität lehrten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts viele bedeutende Männer. Einer, der unverdienterweise nicht so bekannt sein dürfte, ist Johann Heinrich Schulze. Einigen ist er vielleicht als Begründer der Fotochemie ein Begri, doch hat er auf vielen weiteren Wissensgebieten wichtige Anregungen gegeben.

Geboren wurde Schulze 1687 in dem am Südrand der Letzlinger Heide gelegenen Dorf Colbitz. Sein Vater war Schneider und Imker, konnte also seinen Kindern keine gediegene Schulbildung ermöglichen. Doch der kleine Schulze machte auf sich aufmerksam, als er als Sechsjähriger versuchte, anhand des Neuen Testaments die griechische Schrift zu erlernen. Durch seinen Lerneifer wurde auch der hallesche Waisenhausgründer August Hermann Francke auf ihn aufmerksam und nahm ihn in seine Latina auf. Er erhielt eine exzellente Ausbildung in den alten Sprachen und sogar im Arabischen. Ab 1704 studierte er an der Fridericiana in Halle, dabei wechselte er mehrmals, von der Medizin und den Naturwissenschaften bis zur Theologie. Sieben Jahre war er anschließend Lehrer am Pädagogium Franckes.



Eine Wende in Schulzes Leben erfolgte, nachdem der bedeutende Mediziner Friedrich Ho mann ihn 1715 als Famulus in sein Haus aufgenommen hatte, so dass er sein Medizinstudium beenden konnte. Bereits 1716 machte er auf sich aufmerksam, als er mit aller Konsequenz gegen den von einem Jenaer Arzt behaupteten Ein uss böser Geister auf das Leben eintrat. 1717 stellte er durch Versuche fest, dass das Licht und nicht die Wärme, wie bisher angenommen, die Verfärbung von Silbernitraten verursacht. Damit legte er die Grundlagen für die spätere Entwicklung der Fotografie – wenn es auch noch lange dauern sollte, bis es gelang, die Schwarzfärbung zu  xieren, dies scha te erst Niepce um 1826. 1717 konnte Schulze den medizinischen Doktorgrad erwerben und sich bald darauf habilitieren.

Im Jahr 1720 erhielt er einen Ruf als Ordinarius für Chirurgie und Anatomie an die Universität Altdorf. Hier publizierte er sein bedeutendstes Werk, eine Medizingeschichte der Antike. Schulzes Kenntnisse der griechischen sowie der arabischen Sprache waren so hervorragend, dass ihm auch Lehrkanzeln in diesen beiden Sprachen verliehen wurden, so dass er nun drei Fakultäten angehörte. 1721 wurde er Mitglied der kaiserlichen Akademie Leopoldina und 1729 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Als Erster erkannte er, dass die Stickerei am Saum des Krönungsmantels der deutschen Kaiser keine Verzierung war, sondern eine Widmung an den normannischen König Roger II. aus dem Jahr 1126 darstellt. Diese Inschrift wurde in Palermo auf Sizilien angebracht. Sie ist in Kufisch, einer nur schwer zu entziffernden arabischen Monumentalschrift, verfasst. An der endgültigen Deutung hat Schulze noch später gearbeitet, seine Ergebnisse bildeten die Grundlage für die endgültige Lesung. Hervorzuheben ist weiter Schulzes Mitarbeit in der Redaktion der Zeitschrift „Commercium Litterarium“, der ersten medizinischen Fachzeitschrift in Deutschland.



Um 1730 verlor die bisher so erfolgreiche Universität in Halle an Attraktivität, was sich besonders in den Geisteswissenschaften bemerkbar machte. Schulze sollte da Abhilfe scha en und erhielt 1732 einen Ruf auf die Lehrstühle der Altertümer und der Beredsamkeit, wozu auf seinen Wunsch auch noch eine, höheres Ansehen genießende medizinische Professur gefügt wurde. Er war auch in Halle wieder sehr erfolgreich, so konnte er über 100 seiner Schüler zum medizinischen Doktorat verhelfen, wozu er meist selbst die Dissertationen verfasste und die Doktoranden dazu Thesen aufstellten und diese verteidigten – selbstverständlich in lateinischer Sprache. Er wurde der bedeutendste Vertreter der medizinischen Au assung von Friedrich Ho mann und gab auch dessen Werke heraus.



Besonders nahm sich Schulze der Studenten aus Siebenbürgen und dem slowakischen Raum an, die in der Habsburger Monarchie nicht studieren konnten, da sie evangelisch waren. Aus Dankbarkeit brachte ihm ein Student eine, in seiner Heimat gefundene, antike Silbermünze mit. Schulze beschäftigte sich intensiv mit der Kulturgeschichte dieser Münze und erkannte sofort, dass sich die antiken Münzen hervorragend als Quellen, aber auch als Anschauungsmaterial eigneten, und sammelte eifrig antike Stücke. 1738 hielt er erstmalig eine ganze Vorlesungsreihe zur antiken Numismatik und gilt damit als derjenige, der die Münzkunde als akademisches Fach eingeführt hat. An Schulzes Kolleg nahm auch Johann Joachim Winckelmann teil. Im Jahr 1739 wurde Schulze zum Ehrenmitglied der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften berufen. Er starb am 10. Oktober 1744 und wurde in Bogen 85 auf dem Stadtgottesacker in Halle beigesetzt.