Carl Robert (1850–1922) – ein bedeutender Altertumswissenschaftler

Vor etwas mehr als 100 Jahren, am 1. Juli 1922, erhielt das Archäologische Museum am Universitätsplatz den Namen „Robertinum“, kurz nach dem Tode seines langjährigen Direktors Carl Robert. Diese herausragende Ehrung zeigt die hohe Wertschätzung, die man der wissenschaftlichen Leistung und der Persönlichkeit Roberts entgegenbrachte und die er auch heute noch genießt. Am 8. März 1850 in Marburg als Sohn eines Arztes geboren, nahm Carl Robert 1868 das Studium der Altertumswissenschaften in Bonn auf, das er trotz einer Unterbrechung durch seine freiwillige Teilnahme am Deutsch‐Französischen Krieg bereits 1873 in Berlin mit einer ausgezeichnet bewerteten Promotion abschloss. Die antike Dichtung interessierte ihn in gleichem Maße wie die Kunstdenkmäler. Nach einer dreijährigen Studienreise durch Griechenland und Italien, während der er zu archäologischen Fragen publizierte, habilitierte er sich 1876 in Berlin mit einem philologischen Thema. Im Alter von 26 Jahren hatte sich Robert bereits einen hervorragenden Ruf als Wissenschaftler erworben, als er 1877 in Berlin zunächst zum außerordentlichen Professor, 1880 dann zum ordentlichen Professor für Archäologie berufen wurde. Nach zehn Jahren erfolgreicher Lehrtätigkeit in Berlin wechselte Carl Robert an die Universität Halle, wo die Archäologie mit dem Neubau eines Gebäudes für das Archäologische Museum gerade einen besonderen Stellenwert erhielt. Am 9. Dezember 1891 konnte er das neue Museum einweihen, in den folgenden dreißig Jahren füllte er es mit Leben. Übungen und Seminare fanden häufig im Museum vor den Abgüssen statt. An drei Tagen in der Woche war das Museum für die Allgemeinheit geöffnet, durch zahlreiche populäre Vorträge vermittelte Robert auf Einladung verschiedener Vereine einem breiteren Hörerkreis kulturelle Bildung. Die Sammlungen des Archäologischen Museums – Gipsabgüsse antiker Skulpturen, Aquarellkopien von Gemälden sowie originale antike Kleinkunstobjekte – vergrößerten Carl Robert erheblich.



Unterstützt wurde er dabei von zahlreichen Stiftern, insbesondere dem Bankier Heinrich Franz Lehmann, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband. Gemeinsam gründeten sie auch einen Verein zur Wiederbelebung des restaurierten Goethetheaters in Bad Lauchstädt. Zwei Inszenierungen dort übernahm Robert selbst, 1908 führte er mit Studenten Stücke von Menander auf, die er nach neuen Papyrusfunden übersetzt und ergänzt hatte, 1913 folgte ein Satyrspiel des Sophokles. Mit diesem öffentlichen Wirken war Robert auch eine wichtige Person des gesellschaftlichen Lebens der Stadt.



Carl Roberts wissenschaftliches Hauptinteresse galt der Darstellung des Mythos in der Literatur wie in der bildenden Kunst und den wechselseitigen Beziehungen zwischen diesen beiden Gebieten. Neben zahlreichen Einzelpublikationen haben ihn zwei monumentale Werke über sein gesamtes Forscherleben beschäftigt: einerseits die Publikation der ca. 700 überlieferten römischen Reliefsarkophage mit Sagenbildern in vier großen Bänden und andererseits die Neuausgabe der von Ludwig Preller begründeten Gesamtdarstellung der griechischen Mythologie, die er mit umfangreichen Ergänzungen versah. Daneben war Robert über vierzig Jahre einer der Herausgeber der wichtigen philologischen Zeitschrift Hermes. Als Amtsträger, wie in seinem Rektorat 1906/07, zeichnete sich Carl Robert durch gründliche Sachkenntnis und großes Verantwortungsbewusstsein aus. So genau er es im Bereich der Verwaltung mit den Statuten nahm, so sehr schätzte und verteidigte er in der Wissenschaft die akademische Freiheit. Als Universitätsprofessor sah er seine vorrangige Aufgabe in der „Anleitung zum selbständigen Forschen“, nicht in der Abforderung von Prüfungsleistungen.



Carl Robert starb am 17. Januar 1922, nachdem er erst kurze Zeit vorher und nur ungern aus dem Universitätsdienst ausgeschieden war. Auch wenn Roberts Thesen heute in manchen Punkten von der Forschung überholt sind, fordert seine Leistung unverändert Respekt. Sein Archäologisches Museum hat ein wechselndes Schicksal erlitten, besteht aber bis heute als Ort lebendiger Forschung und Lehre. In Halle erinnern die nach ihm benannte Straße und sein nach antikem Vorbild geschaffener Grabstein auf dem Giebichensteiner Friedhof an den großen Gelehrten.